Auf Fehlerpirsch im Patientenzimmer
11.01.2022
Die Wunde schlecht verbunden, Anzeichen einer Entzündung rund um die Venenkanüle, Medikamente und Spritzen liegen offen in einer Schale – und müssten die Schuhe des Patienten nicht an der offenen Bettseite stehen? Finde die Fehler, hieß es jüngst bei einem Simulationstraining in der Klinik Hennigsdorf der Oberhavel Kliniken. In mehreren präparierten Patientenzimmern begaben sich mehr als 100 Beschäftigte der Kliniken auf professionelle Pirsch. Die Weiterbildung unter dem Motto „Safety First“ gehört zu den vielen qualitätssichernden Maßnahmen, die das Personal des Klinikverbunds regelmäßig durchläuft.
Ein Projektteam aus den Bereichen Pflege, Ärzteschaft, Qualitätsmanagement und Hygiene unter der Leitung der Fachapothekerin für Klinische Pharmazie Claudia Herholz und der Projekt- und Risikomanagerin Dr. Simone Freitag hatte mehrere Szenarios für die Mitarbeiter entworfen: Im Zimmer eines internistischen Patienten, der als Simulationspuppe (ohne sturzverhindernde Stoppersocken) schwerfällig auf der Bettkante saß, lag ebenso viel im Argen wie in den benachbarten Zimmern einer frisch operierten Dame und des Mitpatienten in geriatrischer Behandlung. „Die Kollegen haben wirklich fast alle Fehler gefunden“, sagte Freitag nach dem mehrtätigen Durchgang beeindruckt. „Teilweise sogar solche, die wir gar nicht kalkuliert hatten: Ein Patient hatte eine Erdbeerallergie und bekam am zweiten Projekttag wie üblich das tagesaktuelle Frühstückstablett ans Bett gestellt – mit Erdbeermarmelade darauf.“ Die Teams bewahrten den Mann aus Kunststoff auch vor dieser Gefahr.
Das Pilotprojekt, das Apothekerin Herholz angestoßen hatte, sei ein Erfolg, das Interesse groß gewesen. „Es war schön zu sehen, dass sich Fortbildungen zur Patientensicherheit und Arzneimitteltherapiesicherheit auch anders gestalten lassen“, so die Projektleiterin. Die Beschäftigten hätten gut im Team gearbeitet, merklich Spaß gehabt und nebenbei auch noch viel gelernt. Alle versteckten Fehler, darunter auch Medikationsfehler oder fehlende Dokumentation im Pflegebericht, werteten Claudia Herholz und eine Ausbildungskoordinatorin am Ende mit den Teams anonym aus.
Das Team der psychiatrischen Abteilung untersucht den geriatrischen Patienten (Foto: Oberhavel Kliniken GmbH).
In der Gestaltung der Szenarios hätten sich die Initiatoren am Konzept der Schweizer Stiftung Patientensicherheit orientiert, erzählt die Apothekerin. Die Stiftung hatte unter dem sendewirksamen Namen „Room of Horrors“ Trainingsräume entworfen, in denen Mitarbeiter anhand simulierter Situationen für Themen der Patientensicherheit sensibilisiert werden. So versteckten die Projektverantwortlichen in den Hennigsdorfer Patientenzimmern jeweils zehn alltagsnahe Fehler und Risiken für Patienten.
Die Mitarbeiter profitierten vielfältig von dem interaktiven Setting, sagt Simone Freitag: „Sie üben niedrigschwellig und praxisnah, entwickeln Verständnis für den Gesamtkontext und können im besten Fall von der Sichtweise der Gruppenmitglieder anderer Professionen lernen – das fördert den Teamgeist.“ Das Projekt soll 2022 in die nächste Runde gehen.