Spezialisiert auf die wechselseitige Beziehung von seelischen und körperlichen Vorgängen
Die Corona-Pandemie bedroht nicht nur die körperliche Gesundheit. Durch den erzwungenen Shut-Down des gesellschaftlichen Lebens treten auch vermehrt psychische Krisen und innerfamiliäre Spannungen auf. Psychotherapeuten sind deshalb vermehrt gefragt, auch kurzfristig Hilfe in Form von Kriseninterventionen anzubieten.In den Oberhavel Kliniken ist deshalb seit März 2020 ein Krisentelefon geschaltet. Darüber ist wochentags eine direkte Kontaktaufnahme zu Psychiatern und Psychosomatikern möglich, die eine akute Beratung im Zuge von psychischen Krisen im Rahmen der Corona-Pandemie anbieten.
Das Fachgebiet Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, kurz als „Psychosomatik“ bezeichnet, ist auf die wechselseitige Beziehung von seelischen und körperlichen Vorgängen spezialisiert. Klassischerweise wird bei psychosomatischen Störungen davon ausgegangen, dass psychische Konflikte körperliche Symptome auslösen. So kann Ärger den Blutdruck erhöhen oder auf den Magen schlagen, Kummer zu Schmerzen in der Brust oder im Bauch führen, Stress auf den Schultern lasten und zu chronischen Verspannungen führen. Jeder Mensch kennt seine persönlichen Schwachstellen. Diese hängen mit der familiären Vorbelastung, eigenen biologischen Risikofaktoren, Geschlecht, Alter und Belastungsfaktoren in der eigenen Biografie zusammen. Umgekehrt können körperliche Erkrankungen zu seelischen Belastungen oder sogar Erkrankungen führen: So kann infolge eines Herzinfarktes eine Angststörung oder Depression ausgelöst werden. Im Rahmen von Arthrose oder Rheuma können somatoforme Schmerzstörungen entstehen oder bei Krebserkrankungen depressive Erschöpfungssyndrome auftreten.
Seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges entstanden in Deutschland zunehmend Kliniken für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie. Neben den Universitätskliniken entwickelten sich die Reha-Kliniken mit psychosomatischen Behandlungsangeboten. Im ambulanten Sektor bieten Fachärzte für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie Beratungen und längerfristige Behandlungen an.
Was ist das Charakteristikum der Psychosomatischen Medizin?
Es geht in der Psychosomatik darum, den Zusammenhang von Gefühlen, seelischer Befindlichkeit und psychosozialen Belastungsfaktoren mit körperlichen Symptomen oder Organstörungen zu erkunden. Die/Der Betroffene spürt die gesundheitlichen Beeinträchtigungen und leidet häufig unter Organstörungen, wie zum Beispiel Herzrasen, Herzstolpern, Herzrhythmusstörungen, Blutdruckerhöhungen, Schwindel, Ohrgeräuschen, Engegefühl in Hals oder Brust, Atemnot, Bauchschmerzen und Verdauungsstörungen sowie Kopf- oder Rückenschmerzen. Manche Menschen entwickeln auch Sensibilitäts- oder Bewegungsstörungen. Wichtig ist die sorgfältige organische Abklärung und die Einleitung der entsprechenden fachgerechten Behandlung. Dazu ist die Zusammenarbeit mit der Kardiologie, Gastroenterologie, Gynäkologie, Neurologie, Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde und anderen Fachgebieten notwendig. Wenn psychische und soziale Beeinträchtigungen wie zum Beispiel depressive Stimmung, sozialer Rückzug, Schlafstörungen, Konzentrations- und Denkstörungen dazu kommen, sollte eine psychosomatische Behandlung in Erwägung gezogen werden.
Üblicherweise wird zunächst der Hausarzt aufgesucht, der dann die weitere Kontaktaufnahme mit einem Psychosomatischen Facharzt oder Psychiater in die Wege leitet. Es ist ratsam, eine Fachklinik vorzugsweise in Wohnortnähe auszuwählen, damit auch die Weiterbehandlung im lokalen Behandlernetzwerk mit Unterstützung des Klinikverbundes fortgeführt werden kann.
Stress und Stresshormone
Häufig liegt der Auslösung von psychischen Krisen eine übermäßige oder längerdauernde, überfordernde Stressbelastung zugrunde. Die eigenen Stressbewältigungsressourcen sind erschöpft, es kommt zu einer psychischen und körperlichen Dekompensation. Zwei Hormonsysteme sind entscheidend bei der Auslösung von Stress-Symptomen: Adrenalin und Cortisol. Beide sind lebenswichtige, vom Körper selbst produzierte Hormone, die wichtige Lebensfunktionen wie den Herzschlag, die Durchblutung wichtiger Organe, die Atmung, die Denkleistungen und das Reaktionsvermögen aufrechterhalten.
Das Akutstresshormon Adrenalin wird vom Körper selbst gebildet und kann in Notfallsituationen innerhalb von Sekundenbruchteilen erhöht ausgeschüttet werden. Das ist die sogenannte Notfallreaktion, bei der der Körper sich auf Leistung und Kampf oder Flucht einstellt: „Fight or Flight“ (Cannon, 1915). Diese evolutionsbiologisch sinnvolle Bereitstellungsreaktion sorgt dafür, dass über das Adrenalin die Organfunktionen von insbesondere Herz, Lunge, Gehirn und Skelettmuskulatur verstärkt werden. Im Rahmen unserer heute überwiegend sitzenden Tätigkeit laufen diese evolutionsbiologisch verankerten Flucht- oder Kampfreaktionen im Körper jedoch häufig ins Leere, da sie nicht körperlich ausagiert werden können. Sie führen dann zu Symptomen wie Herzklopfen, Herzrasen, Blutdruckanstieg, Unruhe und Ängsten bis hin zu Panikattacken.
Auch hier gilt die dringende Empfehlung, bei wiederholt oder länger als vier Wochen auftretenden Symptomen den Hausarzt zu kontaktieren und im Weiteren einen Facharzt für Psychosomatische Medizin aufzusuchen, damit eine fachgerechte Behandlung eingeleitet werden kann. Je länger die Symptome bestehen, desto chronifizierter wird meistens der Verlauf der Erkrankung.
Die psychosomatische Behandlung
Die psychosomatische Behandlung besteht aus ärztlichen Gesprächen, Psychotherapie, Entspannungstherapie, Kunsttherapie, Musiktherapie, Sport und Physiotherapie, Achtsamkeitsbasierter Therapie, Ernährungsberatung und gegebenenfalls Sozialberatung. Wenn notwendig, werden körperliche Spezialuntersuchungen durchgeführt, um eine bessere Abgrenzung von somatischer und psychisch ausgelöster Symptomatik zu ermöglichen.
Der Patient wird dabei zu jedem Zeitpunkt der Behandlung aktiv einbezogen, ein Behandlungsbündnis zwischen Arzt/Therapeutischem Team und Patient ist Voraussetzung für den Behandlungserfolg. Das psychosomatische Behandler-Team besteht neben Ärzten und Psychologen aus einem qualifizierten Pflege-Team, ausgebildeten Kunst- und Musiktherapeuten, Physiotherapeuten, Sozial- und Ernährungsberatern.
Aktuelle Belastungen im Rahmen der Corona-Pandemie
Aktuell nimmt die Corona-Pandemie unser Leben weiterhin in Beschlag. Das Virus breitet sich weiter aus und die Zahl der Infizierten steigt erneut an, auch hier in Brandenburg. Wir alle müssen unser Verhalten darauf einstellen, einen Mund-Nasen-Schutz in öffentlichen Räumen tragen, die sozialen Kontakte einschränken und einen Mindestabstand zu unseren Mitmenschen von mindestens 1,5 Metern einhalten.
Die soziale Isolierung und die Beschränkung des öffentlichen Lebens lösen vermehrt psychische Krisen aus. Dazu kommt eine zunehmende emotionale Belastung für das medizinische Personal, für Menschen mit erhöhtem Krankheitsrisiko aufgrund von Vorerkrankungen und speziell für ältere Menschen.
Das Spektrum der Reaktionen auf die Corona-Pandemie reicht von realistischer Einschätzung des eigenen Risikoprofils mit der Akzeptanz der notwendigen Hygieneregeln, übersteigerter Infektionsangst mit sozialem Rückzug bis hin zur Verleugnung des Risikos. Wie in anderen Krisensituationen auch sind Augenmaß und gegebenenfalls eine professionelle Beratung zu empfehlen.
So erreichen Sie uns
Abteilung für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie
- Telefon: 03302 545-4332 wochentags in der Zeit von 9 bis 11 Uhr
- E-Mail unter psychosomatik@ oberhavel-kliniken.de
Beratungstelefon im Rahmen der Corona-Pandemie
- Abteilung für Psychiatrie und Psychotherapie und der Abteilung für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie
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